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NRW Innenministerium gibt peinliche Definition des Antifaschismus

Das NRW Innenministerium liefert interessierten Besuchern seiner Homepage eine sehr überholte und peinliche, fast schon entlarvend dumme antidemokratische Definition des Begriffes Antifaschismus. Es ist mehr als überfällig, dass das NRW Innenministerium unter einer erneuten rot- grünen Regierung, die überfällige Überarbeitung der eigenen, immer noch von einem nicht mehr existenten "Kalten Krieges" geprägten Sichtweise, den Erkenntnissen der Zeit anpasst.
So definiert das Ministerium den Begriff Antifaschismus:
Quelle: http://www.mik.nrw.de/extras/glossar.html?tx_szimglossary_pi2%5Bword%5D=503&tx_szimglossary_pi2%5Bfrompg%5D=-1&tx_szimglossary_pi2%5Bdatapg%5D=196&cHash=33813ac265ea3723de82f0666d23aac2
 
 

Antifaschismus

Politische Grundüberzeugung, die sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Formen des Faschismus richtet. So firmierte z.B.. die Mauer in der ehemaligen DDR als "antifaschistischer Schutzwall". Linksextremisten machen die Struktur des bürgerlich-kapitalistischen Systems für den Faschismus verantwortlich und sehen die Bundesrepublik Deutschland in der Kontinuität des 3. Reiches. Ihre Definition von "Antifaschismus-Arbeit" geht daher über die gängige Wortbedeutung ("Widerstand gegen das 3. Reich") hinaus und zielt auf die Abschaffung des Kapitalismus und der bürgerlichen Gesellschaftsordnung ab.
 
Zerlegen wir diese wenigen Sätze:
Politische Grundüberzeugung, die sich gegen tatsächliche oder vermeintliche Formen des Faschismus richtet.
Dieser Satz ist sicherlich teilweise zutreffend. Der Antifaschismus ist eine demokratische Grundüberzeugung wie sie grundsätzlich jedem Bürger bereits in der Jugendzeit über die Bildungseinrichtungen des Staates vermittelt werden sollten. Eine geradezu Selbstverständlichkeit.
Laut der Definition der Kommunisten die sich sehr früh und eindringlich mit dem Thema Faschismus befasst haben, ist der Antifaschismus eine Bewegung, ein Bündnis aller demokratischen Kräfte und Gruppen in Gegnerschaft zu den Faschisten. Ziel des Bündnisses  ist die Abwehr einer faschistischen Diktatur und die Verteidigung der Errungenschaften einer offenen bürgerlichen Gesellschaft mit Pressefreiheit und Organisationsfreiheit. Der Antifaschismus ist somit eigentlich auch eine konservative Bewegung. Ein erfolgreicher Antifaschismus wendet sich nicht erst gegen eine bestehende faschistische Diktatur sondern stellt sich bereits am Anfang gegen das Entstehen von faschistischen Strukturen im Aufbau, gegen Nazipropaganda und Denkweise (auch in der "Mitte der Gesellschaft"). Er tritt öffentlich gegen Versammlungen faschistischer Organisationen auf und klärt vor allem auf über Zusammenhänge und Hintergründe.
 
So firmierte z.B.. die Mauer in der ehemaligen DDR als "antifaschistischer Schutzwall". 
Die Bezeichnung "antifaschistischer Schutzwall"  ist natürlich bereits in der Entstehung ein Euphemismus gewesen. Dieser Satz zur Definition des Antifaschismus, als einer von 5 Sätzen zum Thema, zeigt sehr deutlich das der Autor eher Anti- Antifaschistisch eingestellt ist und keine Gelegenheit auslässt sich denkbar eingängig und unsachlich über in seinen Augen spinnerte Antifaschisten lustig zu machen. Der Autor sollte sich einmal in die Zeit des Mauerbaus zurückversetzen und nach Pressefreiheit und Organisationsfreiheit in dieser Zeit in der BRD fragen. Aus Protest gegen diese postfaschistischen Zustände in Gesellschaft und Staat gingen Ende der 60er die eigenen bürgerlichen Jugendlichen auf die Barrikaden.
 
 Linksextremisten machen die Struktur des bürgerlich-kapitalistischen Systems für den Faschismus verantwortlich und sehen die Bundesrepublik Deutschland in der Kontinuität des 3. Reiches.
Dieser Satz spricht Bände über die absolut überholte und inzwischen marginale Sichtweise des NRW Innenministeriums. Die Struktur des Kapitalismus wird nicht nur von Linksextremen als hierarchisch und undemokratisch bezeichnet, sondern diese Definition wird von Wissenschaftlern, Ökonomen, den Kirchen, sozialen Organisationen, NGO  und vielen Demokraten geteilt. Wenn es immer einflussreichere Superreiche gibt, es immer größere Konzerne gibt, es private Strukturen gibt, die ganze Volkswirtschaften nur mit ihren Spekulationen vernichten können. Wenn die EU zum Beispiel seit Jahren in einer tiefen Krise ist, der Euro so an Ansehen verliert, so doch nur als Folge von undemokratischen privaten wirtschaftlichen Machenschaften, deren Folgen und Schäden von den Steuerzahlern ausgeglichen werden. Dieses Denken ist inzwischen in der Bevölkerung Europas weit verbreitet und eher Allgemeingut. Es ist mehr als peinlich und Zeichen größter Ignoranz wenn das Innenministerium sich auf solch eine Hinterwäldlerei zurückzieht. Weiter: Das richtig bezeichnete Deutsche Reich wurde von den Nazis als "3.Reich" bezeichnet, dies ist ein Propagandabegriff deutscher Faschisten, den dass Innenministerium unreflektiert und selbstverständlich ungebrochen bis heute verwendet. Man mag an der demokratischen Grundgesinnung des Ministeriums zweifeln, angesichts dieser Zeilen.
Zu dem staatsrechtlichen Aspekt des Satzes sollten die Mitarbeiter des NRW Innenministeriums doch einmal nachschlagen, das Bundesverfassungsgericht hat 1973 aus heutiger Sicht kaum mehr Nachvollziehbar beschlossen:  
 
Das Bundesverfassungsgericht stellte am 31. Juli 1973 bei der Überprüfung des Grundlagenvertrags mit der DDR fest (2 BvF 1/73; BVerfGE 36, 1[8]):

Das Grundgesetz – nicht nur eine These der Völkerrechtslehre und der Staatsrechtslehre! – geht davon aus, dass das Deutsche Reich den Zusammenbruch 1945 überdauert hat und weder mit der Kapitulation noch durch Ausübung fremder Staatsgewalt in Deutschland durch die alliierten Okkupationsmächte noch später untergegangen ist; das ergibt sich aus der Präambel, aus Art. 16, Art. 23, Art. 116 und Art. 146 GG. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, an der der Senat festhält.
Das Deutsche Reich existiert fort (BVerfGE 2, 266 [277]; 3, 288 [319 f.]; 5, 85 [126]; 6, 309 [336, 363]), besitzt nach wie vor Rechtsfähigkeit, ist allerdings als Gesamtstaat mangels Organisation, insbesondere mangels institutionalisierter Organe selbst nicht handlungsfähig. Im Grundgesetz ist auch die Auffassung vom gesamtdeutschen Staatsvolk und von der gesamtdeutschen Staatsgewalt „verankert“ (BVerfGE 2, 266 [277]). Verantwortung für „Deutschland als Ganzes“ tragen – auch – die vier Mächte (BVerfGE 1, 351 [362 f., 367]).
Mit der Errichtung der Bundesrepublik Deutschland wurde nicht ein neuer westdeutscher Staat gegründet, sondern ein Teil Deutschlands neu organisiert […]. Die Bundesrepublik Deutschland ist also nicht „Rechtsnachfolger“ des Deutschen Reiches, sondern als Staat identisch mit dem Staat „Deutsches Reich“, – in bezug auf seine räumliche Ausdehnungallerdings „teilidentisch“, so dass insoweit die Identität keine Ausschließlichkeit beansprucht. […] Sie beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den „Geltungsbereich des Grundgesetzes“.
Die Bundesrepublik […] fühlt sich aber auch verantwortlich für das ganze Deutschland […]. Die Deutsche Demokratische Republik gehört zu Deutschland und kann im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland nicht als Ausland angesehen werden.

Die Bundesrepublik Deutschland könne also nicht als Nachfolgestaat angesehen werden, sondern sei vielmehr als Staat identisch mit dem Staat Deutsches Reich und nicht dessen Nachfolger resp. Rechtsnachfolger, sie ist das Deutsche Reich. Damit wird eine zum Teil staatsrechtliche Kontinuität und die völkerrechtliche Identität – durch das Völkerrechtssubjekt »Deutschland« vertreten und verdeutlicht –, die 1871 mit dem Deutschen Kaiserreich und vorausgehend 1867 mit dem Norddeutschen Bund begann, unter der Bezeichnung Bundesrepublik Deutschland fortgeführt.
Diese Ansicht wird durch die herrschende Meinung in der bürgerlichen Rechtswissenschaft sowie internationale Verträge – u. a. das Reichskonkordat – gestützt. Davon bleibt aber unberührt, dass, von einer politisch-historischen Perspektive aus betrachtet, das Reich mit der Niederlage im Zweiten Weltkrieg im Jahre 1945 untergegangen, das heißt „institutionell zusammengebrochen“ war. 1
1973 wurde somit die Restauration und der Revanchismus noch von oberster richterlicher Stelle her festgeschrieben. Wie kann eine Republik eins mit einem Kaiserreich und einer faschistischen Diktatur sein? Diese Denke ist mehr als rivisionsbedürftig. Somit wäre der Satz richtig, Kritiker beklagen eine Kontinuität der Bundesrepublik mit dem Deutschen Reich, wie sie richterlich festgeschrieben wurde. Auch dies sicherlich eine mehrheitsfähige Position, das Innenministerium bring es fertig in einem Satz drei fette Aussagen unterzubringen, die das Innenministerium zu ideologischen Helfershelfern der Faschisten bringt.
 
Ihre Definition von "Antifaschismus-Arbeit" geht daher über die gängige Wortbedeutung ("Widerstand gegen das 3. Reich") hinaus und zielt auf die Abschaffung des Kapitalismus und der bürgerlichen Gesellschaftsordnung ab.
 
Der Wiederstand gegen das "3.Reich" ist eine historische Phase des Antifaschismus in Deutschland. Es gab in Deutschland Antifaschismus vor 1933 mit dem Ziel die Machtübertragung auf die Faschisten zu verhindern. Es gab den Widerstand gegen den Faschismus und es gab nach der militärischen Niederschlagung des deutschen Faschismus eine antifaschistische Kontinuität. So setzten zum Beispiel die Westalliierten oft Kommunisten und andere Antifaschisten in die Nachkriegsverwaltungen ein um Nazis verfolgen und Fernhalten zu können. Nach dieser kurzen Phase der Anerkennung blieben die Antifaschisten und Antifaschistinnen in der Zivilgesellschaft aktiv gegen alte Seilschaften von Faschisten und Neubestrebungen von Faschisten aktiv. Der Antifaschismus wurde immer als Verteidigungskampf der demokratischen Freiheiten begriffen und geführt. Dass man wenn die Antifaschisten (Demokraten, Sozialisten, Christen...) nach einer erfolgreichen Verteidigung wieder an die Verfolgung der jeweils eigenen Ziele herangeht ist nicht erwähnenswert. Eine Verknüpfung des Wirtschaftssystems "Kapitalismus" mit der Verfassung ist unzulässig, der Verfassungsschutz soll nicht den Kapitalismus schützen sondern die Verfassung- diese wird am ehesten von schlechten Kapitalisten bedroht. Kein "Linksextremist" hat der Bundesrepublik soviel Schaden zugefügt wie das Bankensystem, die Gier, die Dummheit der letzten Jahre. Es gibt bis heute noch keine Abteilung im Verfassungsschutz die sich gleichberechtigt mit diesen Gegnern der Verfassung auseinandersetzt. Wer gegen die Währung des eigenen Staates spekuliert, der  greift die Verfassung und insbesondere die gesellschaftliche Ordnung sicherlich mit stärkeren Mitteln an als ein linker, rechter oder islamistischer Demonstrant um bei den Feindbildern des Verfassungsschutzes zu bleiben.
 
Der NRW Innenministerium ist in dieser definition unzeitgemäß in der Analyse der Zeit, der Geschichte, es ist unsachlich, dumm, polemisch in der Wertung und offenbart sehr große Kenntnislücken. Es scheint so, als seien die letzten Jahrzehnte Veränderungen in der Welt spurlos am Ministerium vorbeigegangen.
 
Die Rot- Grüne Landesregierung ist dringend aufgefordert diese Fehlentwicklung zu korrigieren.
Es ist überraschend, dass sich derlei Erklärungen im Internet halten, da diese erst nach 1990 erstellt wurden und nicht in Zeiten des kalten Krieges, zudem hat das Innenministerium an anderer Stelle zeitgemäß reagiert und formuliert.
 

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